Degenerative Myelopathie beim Weißen Schweizer Schäferhund

Da wir bei unserer Jahreshauptversammlung am 24.07.2021 beschlossen haben, den DM-Test für unsere Zuchthunde verpflichtend zu machen, möchten wir an dieser Stelle ein paar Informationen über die Erkrankung bereitstellen.

Was ist das genau?
Die Degenerative Myelopathie, kurz DM genannt, ist eine schwere, neurodegenerative Erkrankung des Rückenmarkes. Hierbei kommt es zu einer Schädigung, bzw. zum Absterben der langen Rückenmarksbahnen auf Höhe der hinteren Brustwirbelsäule und der vordere Lendenwirbelsäule.
Durch die Schädigung kommt es zu einem verminderten Weiterleiten der Signale vom Gehirn in die Peripherie. Dies führt zu einer Störung der Sensorik und Motorik, was zu den typischen neurologischen Symptomen der DM, wie Ataxie ( = unkontrollierte Bewegungen der Hinterhand) und später auch zu Paresen ( = unvollständige Lähmungen der Hinterhand) führt.
Dieser Vorgang der Nervenschädigung ist für den Hund schmerzfrei.

Ist das eine rassetypische Krankheit?
Nein. Früher kannte man sie nur beim Deutschen Schäferhund, weshalb man auch von der Schäferhunde-Myelopathie sprach. Heute weiß, dass es viele Rassen betrifft. Wegen der Verwandtschaft zum Deutschen Schäferhund trägt es leider auch der Weiße Schweizer Schäferhund in seinen Genen. Aber viele andere Rassen, wie zum Beispiel Berner Sennenhund, Pembroke Welsh Corgi, Husky, Boxer, um hier nur einige aufzuzählen, sind ebenfalls betroffen.

Wie erkenne ich, ob mein Hund DM hat?
Meist tritt die Erkrankung zwischen dem 8. und 10. Lebensjahr auf. Da die Erkrankung progressiv verlaufend ist, zeigen sich erste Anzeichen anfangs nur schwach und nehmen im Laufe der Zeit zu.
Während erste Symptomen, wie Zehenschleifen an der Hinterhand, Stolpern bei Wendungen und Überköten (= hängenbleiben der Pfote mit der Oberseite am Boden) oft nicht frühzeitig wahrgenommen werden, ist der auffällig ataktische Gang dann nicht mehr zu übersehen.
Der Hund bewegt sich unkoordiniert, schwankt mit der Hinterhand, wird instabil.
Spätestens dann wird der Hund beim Tierarzt vorgestellt, welcher anhand von neurologischen Untersuchungen und Testungen der Reflexe die Verdachtsdiagnose stellt.
Das ganze betrifft im späteren Verlauf auch die vorderen Gliedmaße und im Endstadium auch die Kau-, Schluck- und Atemmuskulatur.

Warum nur eine Verdachtsdiagnose?
Da es zur Zeit noch keinen direkten Nachweis der Erkrankung gibt, wird im Ausschlussverfahren nach Erkrankungen der Wirbelsäule geschaut, welche ähnliche Symptome haben können.
Per Röntgenaufnahmen, CT und MRT wird nach anderen Rückenmark schädigenden Ursachen, wie zum Beispiel Bandscheibenvorfälle, Tumore, Spondylosen, degenerative Verschleißerscheinungen und vielen anderen, geschaut.
Können diese nicht nachgewiesen werden, erhärtet sich der Verdacht.

Woher weiß ich dann, dass mein Hund diese Erkrankung hat?
Leider mit Gewissheit erst nach seinem Tod, wenn man ihn obduzieren lässt und das Rückenmark mikroskopisch untersucht.

Sonst sind alle Untersuchungen sinnlos?
Nein. Es gibt einen Gentest.
Anhand dieses Gentestes wird nach einer Mutation am Exon 2 des Sod 1-Genes gesucht.
Daraus ergeben sich folgende mögliche Kombinationen:

  • N/N (frei) Der Hund hat keine Mutation am SOD1-Gen, er ist frei vom Risikofaktor, er wird höchstwahrscheinlich nie an DM erkranken und hat keinerlei Einschränkungen.

  • DM/DM (der Hund ist gefährdet) er hat die Genmutation in doppelter Ausführung, ist somit homozygot. Er hat ein hohes Risiko an DM zu erkranken. Er kann seine defekten Gene an seine Nachkommen vererben, weshalb eine Anpaarung nur mit einem freien N/N Partner erfolgen darf.

  • N/DM (der Hund ist Träger) Der Hund trägt den Risikofaktor in einfacher Form, er wird höchstwahrscheinlich nicht an DM erkranken und hat selbst keinerlei Einschränkungen. Er kann sein defektes Gen jedoch an seine Nachkommen vererben, weshalb eine Anpaarung nur mit einem freien N/N Partner erfolgen darf.

Leider kann DM selbst auch mit dem Gentest nicht nachgewiesen werden. Denn es scheint nicht die alleinige Ursache zu sein. Genetisch vorbelastete Hunde können gesund bleiben, genetisch freie Hunde können trotzdem an DM erkranken.

  • Sind die Hunde reinerbig (DM/DM) für die Mutation, ist das statistisches Risiko 1 zu 135 an einer DM zu erkranken.

  • Sind sie frei (N/N) oder mischerbige Träger (N/DM) von der Mutation, liegt das Risiko bei 1 zu 6172.

Warum muss ich dann einen Gentest machen, wenn er die Erkrankung nicht bestätigt?
Weil dieser Test ein hervorragendes Instrument für unsere Zuchtselektion ist.
Denn bei entsprechenden Anpaarungen können wir das Risiko für gefährdete Tiere so gering wie möglich halten. Einer Verpaarung, bei der DM/DM-Welpen geboren werden könnten, ist bei der ZGBBS e.V. jetzt schlicht weg nicht mehr erlaubt.

Warum gibt es dann überhaupt DM/DM-Hunde?
Weil dieser Test erst seit 2009 in Deutschland angeboten wird. Anfangs wusste man hier auch noch nicht, ob eine DM wirklich Auswirkungen auf unsere Rasse hat. Tests wurden auf freiwilliger Basis von Züchtern und Deckrüdenbesitzern gemacht, aber er war nicht verpflichtend. Man wusste auch einfach zu wenig darüber.
Heute sehen wir, dass es einen Zusammenhang mit den Testergebnissen und den wenigen, aber leider doch vorhandenen Fällen von DM in unserer Rasse gibt.

Wie sieht die Lebenserwartung aus?
Ab Beginn der ersten Anzeichen und Stellen der Verdachtsdiagnose hat der Hund i.d.R. noch 2 bis 4 Jahre zu leben.
Da die Erkrankung aber degenerativ ist, werden die Nervenschäden im weiteren Verlauf zunehmen und sich somit auch die Lähmungen auf die vordere Körperhälfte ausweiten.
Das heißt, früher oder später kommt es auch zu Lähmungen an den Vordergliedmaßen und der Hund kann nicht mehr aufstehen, er ist komplett gelähmt.
Auch wenn die Erkrankung für den Hund schmerzfrei ist, sollte über eine „rechtzeitige“ Euthanasie nachgedacht werden, um das Leiden des Hundes nicht unnötig raus zu zögern.

Wie kann ich meinem Hund helfen?
Im Vordergrund steht die Beweglichkeit des Hundes zu erhalten. Dies geht am besten mit regelmäßiger Physiotherapie, um die Muskulatur zu stärken und die Koordination zu verbessern.

Es gibt auch entsprechende Hilfsmittel um auftretenden Problemen entgegen zu wirken:

  • gut sitzende Pfotenschuhe um Scheuerstellen durch die schleifenden Hinterpfoten zu vermeiden.

  • Teppichboden auf glatten Fliesen, damit die Pfoten einen besseren Halt haben.

  • Ein orthopädischen Hundebett, um ein bequemes und druckarmes Liegen zu ermöglichen.

  • Traghilfe

  • Rollwagen, aber das geht nur, solange die Vordergliedmaßen noch nicht betroffen sind.

Uns Züchtern der ZGBBS e.V. tut es unendlich leid, für jeden Hund der von dieser schlimmen Krankheit befallen ist.
Wir wollen das Beste für unser Hunde, weshalb wir den DM-Test zur Pflicht bei unserer Zuchtzulassung machen. Somit verhindern wir, dass bei uns weitere Hunde mit dem Risiko DM/DM geboren werden.
Gerne stehen wir auch für Besitzer erkrankter Hunde mit Rat und Tat zur Seite. Sei es für die Suche nach einem geeigneten Physiotherapeuten in Ihrer Nähe oder auch bei der Beratung für benötige Hilfsmittel.

Nutzung von Hilfsmitteln:

 

Gangbild vor und nach Physiotherapie:

 

 

Hier gibt es noch weitere Informationen zum Thema Hundegesundheit und -erkrankungen beim Weißen Schweizer Schäferhund aus unserer “ZGBBS informiert”-Reihe.

 

Nachtrag vom 15.02.2024:

Hier gibt es einen Ratgeber für betroffene Mensch-Hund-Teams zum Thema Degenerative Myelopathie käuflich zu erwerben. (unbezahlte Werbung / Buchempfehlung)

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